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September 2022

Abendländische Hochzeit,1965/66

Mischtechnik auf Leinwand

Mit Ende der 1950er Jahren wurde der Mensch für Eberhard Schlotter ein zentrales Thema, wenngleich das nicht immer unmittelbar sichtbar wurde. Sehr oft verwendete er in dieser Zeit eine Puppe als Substitut für den Menschen, vor allem für Frauen.  Auch in dem großen Gemälde „Abendländische Hochzeit“ tritt die Puppe ganz prominent in Erscheinung. Sie liegt wie achtlos zurückgelassen unter dem Schleier der Braut. Diese geht vom Betrachter weg ihrem neuen Leben entgegen, dessen weiterer Verlauf kreisförmig durch die mit Bleistift gezeichneten Gesichter in der rechten Bildhälfte angedeutet wird. Wieder am unteren Bildrand angekommen begegnet uns ein junges Mädchen, das die Braut selbst sein könnte oder auch ihre Tochter – sie schließt den Kreislauf dieses Frauenlebens. 

Schlotter verwendete in diesem Werk ganz unterschiedliche Techniken: Am auffälligsten ist der Gegensatz zwischen gemalten und gezeichneten Partien des Bildes. Ebenfalls sehr markant ist der flächig wirkende Körper des Bräutigams im Gegensatz zu dem filigranen und reliefartig ausgearbeiteten Schleier der Braut. Hier hat Schlotter einen Spitzenstoff verwendet, um das Relief herauszuarbeiten. Es ist das einzige sinnliche Element in diesem sonst extrem zurückhaltenden Gemälde, das, entgegen der Erwartung, die man an ein Bild von einer Hochzeit hat, ein farb- und freudloses Ereignis im luftleeren Raum darstellt.