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August 2023

Häuser in Cartagena, 1954, Öl auf Rupfen, 110 x 75 cm. 

In dem sehr amüsanten Reisebericht von Georg Hensel über „die Entdeckung Alteas am 25. August 1954 um 11 Uhr 55 durch Anni, Dorothea, Eberhard, den Zufall und mich“ kann man nachlesen, dass die vier Freunde 1954 eine lange, beschwerliche und erlebnisreiche Autofahrt nach Spanien unternahmen, ohne genau zu wissen, wohin sie eigentlich fahren wollten. 

Auf der letzten Etappe von Gandia in Richtung Alicante, doch auf halbem Wege dorthin, hatten die Damen endgültig genug von der planlosen Fahrerei. „…und an diesem 15. Reisetag nach präzise 3582 Kilometern sagte Eberhard um 11 Uhr 55: ‚Wenn niemand mal halt sagt, fahre ich jetzt weiter bis Alicante und Almeria und Málaga und Gibraltar.‘ … da sagte Anni schon Halt!, und Altea war entdeckt, wir wußten es nur noch nicht.“ Während also offensichtlich wenigstens ein Teil der Reisegruppe erschöpft war, scheint Eberhard Schlotter weiterhin unternehmungslustig gewesen zu sein, denn die Hafenstadt Cartagena liegt noch einmal knapp 180 Kilometer von Altea entfernt in der Region Murcia. Wahrscheinlich hat der Maler sie einige Tage später besucht, denn das Bild entstand im Jahr der Reise, 1954. Möglicherweise interessierte ihn die Stadt, weil sie während des spanischen Bürgerkrieges Hauptstützpunkt der republikanischen Marine und die Bastion der Republikaner war, die sich am längsten gegen Franco behaupten konnte.

Zu sehen sind mehrere Häuser, die den Eindruck eines Straßenzuges ergeben, der von ineinander verschachtelten Gebäuden gebildet wird und von einer Anhöhe aus zum Meer hinabführt. Allerdings ist die Straße selbst nicht sichtbar, weil der Betrachter sich weiter oben befindet. So hat er den Blick auf den weiten, wolkenlosen Himmel (der immerhin die Hälfte des Bildes einnimmt) und auf einen breiten Streifen des tiefblauen, bewegungslosen Meeres.

Trotz der so stark empfundenen örtlichen Eigenschaften ist im Bild tatsächlich keine räumliche Tiefe dargestellt. Die farbigen Flächen von Hauswänden, Meer und Himmel treffen fast gänzlich schattenlos aufeinander. Doch die vielen Diagonalen von Dächern und Drähten sowie eine einzige, dafür prägnante ins Bild führende Schattenkante vermitteln dem Betrachter genügend Informationen darüber, wie das Gelände beschaffen ist.

Das Gemälde gehört zu Schlotters ersten extrem reduzierten Bildern, und erscheint wie eine Gratwanderung zwischen gegenständlicher Malerei und der im Westen Deutschlands in den 50er Jahren vielerorts favorisierten gegenstandlosen Malerei, speziell der Farbfeldmalerei des Abstrakten Expressionismus.