Dezember 2023
Schlotter, Schmidt und Ra(a)be aus der Mappe „go wekk, go wekk – Erinnerungen und Reflexionen", Radierung, 1991.
In den Jahren 1988 und 1989 beschäftigte Schlotter sich intensiv mit der Novelle „Die Innerste“ von Wilhelm Raabe. Es entstanden 10 Radierungen und 4 großformatige Gemälde sowie ein Porträt des Dichters. Die Radierung mit dem Raben zeigt Schlotter vereint mit Raabe und dem anderen großen Dichter, Arno Schmidt, mit dem er in besonderer Freundschaft verbunden war.
Der Lebensmittelpunkt der Familie Schlotter lag bis 1945 in Hildesheim. Hier wurde schon Eberhards Vater Heinrich Schlotter geboren (16. 6. 1886), der nach bestandener Gesellenprüfung in Berlin studieren durfte. Als er 1918 Irene Noack aus Eldingen kennenlernte, kehrte er nach Hildesheim zurück. Die Kleinstadt war jedoch ein undankbarer Ort für einen jungen Künstler. Der Mangel an Aufträgen führte zu den ärmlichen Verhältnissen, in denen Eberhard Schlotter mit seinen drei jüngeren Geschwistern aufwuchs. Doch sein Vater unterrichtete ihn früh im Zeichnen und die Wohnung füllte sich mit Kunstzeitschriften. Hildesheim wurde für Eberhard Schlotter der erste Hort der Kunst. Die Lüneburger Heide hingegen, Heimat seiner Mutter, war ein geheimnisumwobener Ort, an den es ihn zeitlebens hinzog:
Als Kinder waren wir immer in den Sommerferien in der Heide, und ich erinnere ich noch schwach an die verfallene alte Kate mit den schiefen Balken, den rostigen Gegenständen, die herum lagen, ein paar leere Bienenkörbe, die Leiter mit den zerbrochenen Sprossen in einem Apfelbaum mit trockenen Ästen und deutlich die beiden Raben, die sich ärgerten über unsere Neugier: „go wekk, go wekk“ – und dann wie ein Echo: “en Ruhe laten, slapen laten!“
Wie sein Vater durfte auch Eberhard nach bestandener Gesellenprüfung 1939 Kunst studieren und bewarb sich erfolgreich an der Akademie in München. Doch schon 1941 musste er in den Krieg ziehen. Während des Krieges lernte er Dorothea von der Leyen aus Darmstadt kennen, heiratete sie und zog mit ihr nach dem Krieg in ihre Heimatstadt. Dort etablierte er sich äußerst gut, wurde Vorsitzender der Neuen Darmstädter Sezession und konnte so 1955 dem in Not geratenen Schriftsteller Arno Schmidt Hilfe gewähren. Er bot an, den Dichter zunächst bei sich aufzunehmen und sich in Ruhe nach einem dauerhaften Wohnsitz umzusehen.
Schmidt wünschte sich Abgeschiedenheit. Schlotter suchte daher in der Heide nach einem Haus. Seit 1945 lebten Schlotters Eltern in Bargfeld, weil das Hildesheimer Haus durch Bomben vollkommen zerstört worden war, und in der Nähe fand Eberhard Schlotter das ideale Haus für Schmidt. Solange Arno Schmidt lebte, besuchte Schlotter ihn jedes Jahr und verband damit auch seine Familienbesuche in Celle (wo zwei seiner Geschwister lebten), obwohl er selbst in Darmstadt blieb und seit 1960 den Winter über in Spanien lebte.
Als seine Frau an Krebs erkrankte, zog das Paar 1987 von Darmstadt nach Hannover. Nach dem Tod seiner Frau gründete Eberhard Schlotter 1993 eine Stiftung seiner Werke in Celle und zog 1995 nach Wienhausen. Für seine Verdienste um die Kunst in Niedersachsen erhielt er 1994 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2007 den Niedersächsischen Verdienstorden am Bande. Während seines letzten Aufenthaltes in Celle im Jahr 2012 erkrankte Schlotter schwer und wurde im hiesigen Krankenhaus behandelt. Der 91-Jährige konnte sich noch einmal erholen und reiste zurück nach Altea. Ein weiterer Besuch in Celle fand nicht mehr statt: Schlotter starb 2014 in Spanien.