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Juni 2023

Der Metzger und seine Frau, 1986/87, Öl auf Leinwand, 116 x 116 cm.

Knapp 30 Jahre nach der ersten Serie der „Metzgerfamilie“ begann Eberhard Schlotter Ende der 80er Jahre eine zweite Familie von Metzgern zu malen. Die erste Familie aus den späten 50er Jahren war vor allem ein Ausdruck der Enttäuschung und Frustration Schlotters: Aus dem Krieg zurückgekehrt hatte er, wie viele junge Menschen seiner Generation, die Hoffnung, am Aufbau eines neuen, freien und demokratischen Deutschlands nach eigenen Vorstellungen mitzuwirken. Aber gerade die jungen Künstler, die nach ihrer Kindheit nur Krieg und Nachkriegsnot erlebt hatte, waren damals extrem enttäuscht, als sie feststellen mussten, wie wirksam alte Seilschaften und Machtstrukturen noch immer waren.

In den späten 80er Jahren war Schlotter selbst Mitte 60. Er beobachtete die Menschen und die Gesellschaft allgemein sehr genau. Und so wurde seine neue Metzgerfamilie Ausdruck diverser sozialer Missstände: Arbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch und Prostitution auf Seiten der Armen – Luxus und Scheinheiligkeit auf Seiten der Reichen und Mächtigen.

Das Vorbild zum Metzger und seiner Frau entnahm Schlotter dem Fotoband „Feine Leute“ von Herlinde Koelbl von 1986. Schlotter nutzte schonungslos sein Medium, die Malerei, um zu entlarven und bloßzustellen, wohl wissend, dass die Betrachter seiner Gemälde glauben, er habe übertrieben.

Dieses Gemälde sowie acht weitere Metzger-Bilder sind derzeit für etwa ein Jahr in der Neuaufstellung der Dauerausstellung zu sehen. Im virtuellen Schaulager der Eberhard Schlotter Stiftung sind zeitgleich die beiden erwähnten Metzgerfamilien sowie die zwischen 2011 und 2013 entstandene dritte Metzgerfamilie ausgestellt. So ist es erstmals möglich, alle drei Familien (34 Gemälde) gleichzeitig zu sehen.