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Mai 2022

Bar, 1957, Öl auf Leinwand, 75 x 125

Frustriert und enttäuscht wandte Eberhard Schlotter der Neuen Darmstädter Sezession und Deutschland 1956 den Rücken zu und zog sich für vier Jahre nach Spanien zurück. Dort fand der junge Maler zu seiner ganz eigenen Ausdrucksweise: In diesen Bildern, die vorwiegend Architektur darstellen, aber vollkommen menschenleer sind, deckte er die grundlegend abstrakte Natur der Malerei auf, ohne tatsächlich gegenstandslose Bilder zu malen. Wie viele aus dem Norden stammende Künstler vor ihm entwickelte auch Schlotter im sonnigen Süden außerdem ein reges Interesse für Schatten. Und als Schatten kehrten die Menschen Ende der 50er Jahre auch wieder in seine Bildwelt zurück. 

Das Gemälde „Bar“ von 1957 ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Es zeigt in auffällig flacher Darstellungsweise eine Theke mit Gläsern und Flaschen sowie ein Regalbrett mit sechs weiteren Flaschen. Erfahrungsgemäß weisen wir den beiden Motiven eine räumliche Staffelung zu, so dass wir die Bar deutlich erkennen. Auf Theke und Wand fallen zwei Schatten in Menschengestalt. Statt aber den räumlichen Gegebenheiten entsprechen verzerrt zu werden, liegen diese Schatten wie starre Pappkameraden ungebeugt über Theke und Wand. Unwillkürlich muss man sich fragen, was Realität ist, der Schattenwurf auf flacher (bemalter) Wand oder das Mobiliar, das breit genug ist, damit Flaschen und Gläser darauf Platz finden können.

Für Schlotter war der Schatten nicht einfach ein optisches Phänomen. Er spielte mit dem gemalten Schatten, verlieh ihm ein Eigenleben und trennte ihn vollkommen vom schattenwerfenden Körper.

Sicherlich trug dazu auch seine Beschäftigung mit dem Höhlengleichnis des antiken griechischen Philosophen Platon bei. Dieser entwarf in seinem Buch „Politeia“ (der Staat) eine Theorie des idealen Staates und verwendete zur Veranschaulichung drei Gleichnisse. Eines davon, das Höhlengleichnis, beschreibt, wie gefesselte Menschen in einer Höhle nur Schatten an der Wand sehen können und diese für die eigentlichen Lebewesen halten.