November 2023
Anda Lucia, 1965, Öl auf Leinwand, 65 x 90 cm.
In den 1960er Jahren verwendete Eberhard Schlotter oft Puppen als die eigentlichen Akteure in seinen Gemälden. Während die Figur rechts im Bild offensichtlich eine jener kleinen Püppchen im andalusischen Flamenco-Kostüm ist, die gerne an Touristen verkauft werden, ist die Bestimmung der Figur links nicht eindeutig.
Ihr vom Bilderrahmen angeschnittener Oberkörper scheint eher menschlich, doch ihr Gesicht wirkt so glatt wie das einer Schaufensterpuppe. Ebenso unklar ist die dargestellte Situation: Versatzstücke von Landschaft, Fenster und Möbelstück sind so kombiniert, dass unbestimmt bleibt, ob man sich drinnen oder draußen befindet, ob man hinein- oder hinausschaut. Tatsächlich ist das Trachtenpüppchen das Element, das am deutlichsten zu erkennen ist. Auf sie bezieht sich auch der wortspielende Titel: Anda Lucia heißt übersetzt: „Geh, Lucia!“ Gleichzeitig ist Andalucía der spanische Name der autonomen Region Andalusien in Südspanien.
Andalusien war nach dem Militärputsch Francos das Machtzentrum der Nationalen, die von Hitler-Deutschland unterstützt wurden. Die Schlachten um andalusische Städte waren entscheidend für den Ausgang des Bürgerkriegs, der das Land nachhaltig in Gegner und Anhänger des Diktators spaltete. Als das Franco-Regime sich in den 1960er Jahren für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Europa öffnete, zogen vor allem aus Andalusien viele Menschen als Gast-Arbeiter nach Deutschland. Sie – und nicht etwa die massenhaft nach Spanien reisenden Touristen – brachten dem Land die dringend benötigten Devisen. Ein wirtschaftlicher Aufschwung begann, doch das Regime blieb bis zum Tode Francos 1975 erhalten.