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Oktober 2021

Autor/in: Charlotte Kowollik

Als Eberhard Schlotter 1956 nach Altea an der Costa Blanca zog, war der heutige Touristenort noch ein kleines, verträumtes Fischerdorf mit einfachen Menschen. In dieser friedvollen, ruhigen Umgebung begann er die sogenannten Leeren Bilder zu malen. Es sind Bilder ohne Menschen, aber mit Inhalt. Schlotter reduzierte die Darstellung der tatsächlichen Landschaftsarchitektur auf eine Konstruktion kurz vor der Abstraktion. Die Bilder erregten Aufmerksamkeit und zählen heute zu seinen besten Werken.

Das Bild Das Haus des Stierkämpfers ist ein scheinbar schlichtes Motiv, das erst durch genaue Betrachtung zu einem reichen Wahrnehmungserlebnis wird. Der Reiz besteht aus dem Zusammenspiel großer, heller, fast strukturloser Flächen und kleiner, filigran wirkender dunkler Formen. Drei dünne Baumstämme sowie die verbogenen Eisenstäbe des Zauns durchbrechen spannungsvoll die horizontalen Linien des Bildes oder enden auf ihnen. Die verdorrten Blätter dieser Bäume bilden ein schmales, dunkles, horizontales Blätterdach als wirkungsvollen Kontrast zu dem lichtdurchfluteten Raum.
Die Klarheit der Bildkonstruktion zeigt, dass in diesem Bild nichts beliebig oder zufällig ist und wird somit zum Spiegel des zentralen künstlerischen Prinzips Schlotters, des Prinzips der Verbindlichkeit der dargestellten Dinge.
Die Frage: Wie wirklich ist die Wirklichkeit ? ist das Kernthema der künstlerischen Arbeit Schlotters. Durch Analogien in seinen Bildern sensibilisiert und erweitert der Künstler auch unseren Blick auf die Wirklichkeit. So stehen die verbogenen, zum Teil rot schimmernden Stäbe zusammen mit dem roten Schloss des Zaunes für zahlreiche, blutige Stierkämpfe und weisen auf die Identität des Bewohners des hinter der Mauer verborgenen Hausen als Stierkämpfer hin.

Schlotter provoziert die Betrachter dieses Bildes indem er ihre Wahrnehmung extrem herausfordert: In der ästhetischen Qualität zweier formloser, unstrukturierter Flächen im Hintergrund des Bildes sollen sie Himmel und Meer erkennen. Und es gelingt. Geprägt durch seine optische Raumerfahrung erkennt der Rezipient in den zwei hellen Flächen, die in einer geraden Linie aufeinanderstoßen, das Firmament und eine bis zum Horizont reichende Wasserfläche.

Eberhard Schlotter malte das Bild 1957 in Altea mit Öl auf Leinwand. Heute ist es Bestandteil der Eberhard Schlotter Stiftung in Celle.